Der Verfasser hat am 04.01.25 auf https://ansage.org/droht-die-beseitigung-der-gewaltenteilung/ die Frage aufgeworfen, ob die verfassungsmäßige Ordnung nicht eher aus einem verkrusteten
Staatsapparat heraus bedroht wird, als von angeblichen Verfassungsfeinden. Er hat über seine Verfassungsbeschwerde gegen die gegen Art. 79 Abs. 2 GG verstoßende Einführung des Art. 94 Abs. 4 GG
informiert. Inzwischen hat Frau Marianne Grimmenstein, Initiatorin der Gemeinwohl.Lobby, dem Verfasser mitgeteilt, seine Initiative unterstützen zu wollen. 2016 initiierte sie
Verfassungsbeschwerden gegen die Freihandelsabkommen CETA (Kanada), TTIP (USA) und JEFTA (Japan). Es gelang ihr, für die CETA-Klage fast 70.000 und für die JEFTA-Klage über 9.000 Mitkläger zu
motivieren. Für ihre Petitionen bei change.org hat sie etwa eine halbe Million Unterstützer gewonnen. Es besteht die Perspektive, eine parteiübergreifende Bewegung zur Verteidigung der
verfassungsmäßigen Ordnung zu schaffen.
Eine potentielle Bedrohung für jedes Staatswesen, gleichgültig ob demokratisch oder autoritär, ist auch die Korruption. Die wird nicht nur durch Bestechung ausgeübt, sondern auch die die als
„Vetternwirtschaft“ bezeichnete Vergabe von Posten und Staatsaufträgen an Familienangehörige oder Freunde. Eine abgeschwächte Form der Korruption ist die Parteibuchwirtschaft, also die Vergabe
von Posten und Staatsaufträgen an Mitglieder der eigenen politischen Partei.
Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. Wenn Ämter durch Wahlen vergeben werden, darf jeder
Deutsche kandidieren. Bei einem Bundeskanzler oder Minister spielt es dann keine Rolle, ob er einen Schulabschluss erworben oder einen Beruf gelernt hat. Muss ein Amt öffentlich ausgeschrieben
werden, ist gemäß Art. 33 Abs. 2 GG entsprechend nach Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu entscheiden. Die etablierten Parteien haben aber das Problem, dass sie wesentlich mehr
Mitglieder als Mandate in Parlamenten haben. Und die übrigen Mitglieder wollen auch versorgt werden. Das geht nur mit Posten im Staatsdienst. Also werden Ausschüsse gebildet, die aus den
eingehenden Bewerbungen eine Vorauswahl treffen und dem Parlament den politischen Wunschkandidaten als den besten Bewerber verkaufen. Sollte z.B. die Gemeindesatzung vorsehen, dass dem
Stadtparlament mindestens drei Bewerber vorzuschlagen sind, werden neben dem Wunschkandidaten noch die zwei schlechtesten Bewerber präsentiert. Eine wirksame Opposition dagegen gibt es nicht;
eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus!
Angesichts der im ersten Absatz angedeuteten Perspektive einer überparteilichen Bewegung zur (Wieder-)Herstellung der verfassungsmäßigen Ordnung möchte der Verfasser das Thema der
Parteibuchwirtschaft ebenfalls einbringen. Dazu möchte er an einen über 15 Jahre erinnern, der in den Mainstreammedien kaum beachtet wurde. 2009 hat sich der Verfasser auf die in der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung ausgeschriebene Stelle des Präsidenten des Landesrechnungshofes in Bremen beworben. Er stammt aus dem Bremer Umland, wo auch seine damals 78 und 80 Jahre alten Eltern lebten.
Vom Auswahlausschuss wurde aber die Datenschutzbeauftragte aus Nordrhein-Westfalen für das Amt vorgeschlagen, die als Verwaltungsjuristin keine Ahnung von Wirtschaft und Finanzen hatte. Nach dem
Regierungswechsel in Düsseldorf wollte die schwarz-gelbe Regierung die grüne Amtsinhaberin loswerden, um die Stelle mit einem eigenen Kandidaten besetzen zu können. Also einigten sich alle
Fraktionen darauf, die Frau nach Bremen wegzuloben.
Nur der fraktionslose Abgeordnete der „Bürger in Wut“ stellte sich quer, nahm Akteneinsicht in die Bewerbungsunterlagen und suchte nach dem seiner Meinung nach besten Bewerber. Die
Wählerinitiative BiW entstand 2004 aus dem Landesverband Bremen der Partei Rechtsstaatlicher Offensive (Schill-Partei), deren Positionen sie weitgehend übernahm. Bei den Hamburger
Bürgerschaftswahlen am 23.09.2001 wurde die Schill-Partei aus dem Stand mit 19,4 % der Stimmen zur drittstärksten Kraft und zog mit 25 Abgeordneten in die Hamburgische Bürgerschaft ein. Sie
bildete darauf eine Koalition mit CDU und FDP. Die BIW trat im Mai 2007 erstmals zur Wahl an und war seitdem mit einem Abgeordneten für Bremerhaven in der Bremischen Bürgerschaft vertreten. Bei
der Wahl 2023 zogen sie erstmals in Fraktionsstärke in die Bürgerschaft ein. Am 09.06.2023 vereinigte sie sich mit dem Bündnis Deutschland.
An dieser Stelle soll die Rede des Abgeordneten Jan Timke vom 17.06.09, mit der er seinen Personalvorschlag begründete, aus dem Plenarprotokoll
(https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp17/land/protokoll/P17L0047.pdf, Seite 35 f.) zitiert werden. Sie ist noch immer auf http://www.youtube.com/watch?v=Q7Ajhtou1QM als Video
abrufbar:
Präsident Weber: Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.
Abg. Timke (BIW): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden heute die
Stelle der Präsidentin oder des Präsidenten des Landesrechnungshofs neu besetzen. Für diese Position gibt es zwei Bewerber, nämlich Frau Bettina Sokol, derzeit Datenschutzbeauftragte des Landes
Nordrhein-Westfalen, und Herrn Prof. Dr. Werner Müller, Hochschullehrer an der Fachhochschule Mainz. Der Bürgerschaftsvorstand favorisiert Frau Bettina Sokol, ich schlage Ihnen, meine Damen und
Herren, Herrn Prof. Dr. Müller vor, der sich ebenfalls fristgerecht auf die ausgeschriebene Stelle beworben hat.
Warum habe ich Ihnen heute mit Prof. Dr. Müller einen eigenen Vorschlag unterbreitet? Nun, meine Damen und Herren, der Unterausschuss des Rechnungsprüfungsausschusses war im Rahmen der
Stellenausschreibung mit der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber betraut. Seine Aufgabe, aus den eingegangenen Bewerbungen auf die Stellenausschreibung die qualifizierteste Person auszuwählen
und dem Vorstand der Bürgerschaft vorzuschlagen, ist der Ausschuss nicht gerecht geworden. Denn nicht Frau Sokol, sondern Herr Prof. Dr. Müller ist für diese Position objektiv betrachtet der
fachlich geeignetste Kandidat. Die unbestreitbaren Qualifikationen, die Frau Sokol als Verwaltungsrichterin und Datenschutzbeauftragte erworben hat, sind für die zu besetzende Position
irrelevant. Wie eine Datenschutzexpertin nicht zur Chefärztin eines Landeskrankenhauses berufen werden könnte, so benötigt der Landesrechnungshof einen Rechnungswesenexperten als
Präsidenten.
Angesichts der dramatischen Finanzlage Bremens müssen das Controlling in der öffentlichen Verwaltung verbessert, Kosteneinsparpotenziale erschlossen und Ausgaben kritisch hinterfragt werden. Frau
Sokol kann diesen hohen Anforderungen kaum gerecht werden. Ihre, wie gesagt, unbestreitbare juristische Ausbildung umfasst keine finanzwissenschaftlichen Inhalte. Meines Wissens ist sie bislang
auch noch nicht in den Bereichen Rechnungswesen und Controlling tätig gewesen, bringt somit auch keine Praxiskenntnisse mit. Sie würde also mit einem Arbeitsgebiet konfrontiert, für das sie weder
eine einschlägige Ausbildung noch Berufserfahrung hat. Im Gegensatz dazu hat Herr Prof. Dr. Müller Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre studiert sowie im Bereich Rechnungswesen und
Wirtschaftsinformatik promoviert. Er lehrt seit über zwölf Jahren Rechnungswesen und Controlling an der Fachhochschule Mainz, darüber hinaus war Prof. Dr. Müller etwa neun Jahre lang in der
Wirtschaft tätig, zuletzt als Finanzmanager in der deutschen Gruppe eines dänischen Konzerns. Er ist gelernter Industriekaufmann, geprüfter Bilanzbuchhalter und hat sein Handwerk von der Pike auf
gelernt. Der Bewerber bringt damit die idealen Voraussetzungen mit, um die ausgeschriebene Position optimal auszufüllen.
Meine Damen und Herren, nach Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes sowie Paragraf 9 des Bremischen Beamtengesetzes sind öffentliche Ämter nach Befähigung und Leistung zu vergeben ohne Rücksicht
auf Parteizugehörigkeit oder persönliche Beziehungen. Das gilt selbstverständlich auch für den Präsidenten des Rechnungshofes, denn die Stelle war öffentlich auszuschreiben.
Von Parteiferne kann bei Frau Sokol nun wahrlich keine Rede sein. 1996 wurde sie auf Vorschlag vom Bündnis 90/Die Grünen zur Datenschutzbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen gewählt. 2004,
nur ein Jahr vor der Landtagswahl, ist Frau Sokol unter Rot-Grün für weitere acht Jahre in Ihrem Amt bestätigt worden. 2005 kam es dann zum Regierungswechsel in Düsseldorf, seitdem gibt es
permanente Spannungen zwischen der CDU-geführten Landesregierung und der Datenschutzbeauftragten, darüber hat auch die Presse ausführlich berichtet. Frau Sokol kann sich keine realistischen
Chancen ausrechnen, 2012 erneut zur Datenschutzbeauftragten von NRW gewählt zu werden. Da kommt die vakante Position des Rechnungshofpräsidenten in Bremen gerade recht, hier sitzen die Grünen
zusammen mit der SPD auf der Regierungsbank. Was liegt aus grüner Sicht näher, als eine parteinahe Kandidatin, die sich in NRW nicht mehr wohl fühlt und deren Posten nach 2012 wohl auch nicht von
ihr wieder besetzt wird, an die Weser zu holen und ihr ein gut dotiertes Spitzenamt zuzuschustern?
Herr Dr. Güldner, ich möchte Sie jetzt persönlich ansprechen: Mit diesem Personalvorschlag haben sich die Grünen in der Bürgerschaft selbst demaskiert.
(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das tun Sie gerade!)
Als Oppositionspartei hat Ihre Fraktion der damals regierenden Koalition wiederholt Filz- und Vetternwirtschaft bei der Besetzung von Spitzenämtern vorgeworfen. Heute, da die Grünen selbst an den
Schalthebeln der Macht sitzen, sind die hehren Grundsätze von einst vergessen.
(Abg. D r . G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ist Ihnen aufgefallen, dass fünf Fraktionen Frau Sokol vorgeschlagen haben?)
Es kommt auf den Vorschlag an! Wer hat den Vorschlag gemacht?
Jetzt versucht man, eine parteinahe Kandidatin auf einen lukrativen öffentlichen Posten zu hieven, obwohl diese Bewerberin nachweislich nicht die geeignetste Kandidatin für die ausgeschriebene
Stelle ist.
(Abg. D r . G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das wissen Sie genau?)
Ja, das weiß ich, ich habe das nämlich nachgelesen.
Damit betreibt Ihre Partei die gleiche Vetternwirtschaft, die Sie jahrelang Rot-Schwarz vorgeworfen haben. Frau Sokol hat keinerlei Vorkenntnisse auf dem Gebiet Rechnungswesen und
Rechnungsprüfung, das sollten Sie vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen! Sie müsste deshalb bei Null anfangen und sich in diese komplexe Materie einarbeiten.
(Abg. D r . G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Waren Sie am Bewerbungsverfahren beteiligt?)
Bei einem Gehalt von 8100 Euro plus Ortszuschlag wäre Frau Sokol damit der am besten bezahlte Lehrling im Land Bremen.
Ganz anders der von mir vorgeschlagene Kandidat Prof. Dr. Müller. Er verfügt bereits über die erforderlichen Qualifikationen und Erfahrungen, um die wichtige Position des
Landesrechnungshofpräsidenten ohne große Einarbeitung ausführen zu können. Herr Prof. Dr. Müller könnte deshalb sofort mit seiner Arbeit beginnen und dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit
der öffentlichen Verwaltung in Bremen zu steigern und die finanzielle Lage des Landes zu verbessern.
Wer die Spitze des Landesrechnungshofs mit dem bestmöglichen Bewerber besetzen will, der muss sich für Herrn Prof. Dr. Müller und gegen Frau Sokol entscheiden. Ich darf Sie daher bitten, meinem
Vorschlag zuzustimmen und Herrn Prof. Dr. Müller zum neuen Präsidenten des Bremer Rechnungshofs zu wählen.
Ich beantrage geheime Abstimmung. – Vielen Dank!
...
Präsident Weber eröffnet die Sitzung wieder um 13.20 Uhr.
Präsident Weber: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss Ihnen mitteilen, dass wir nach der Mittagspause die Wahl zur Präsidentin des Landesrechnungshofs wiederholen müssen. Wir werden
jetzt im Vorstand mit dem Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss zusammentreten, um das Procedere definitiv zu klären. Ich unterbreche die Sitzung bis 15.00 Uhr. (Unterbrechung der Sitzung
13.21 Uhr)
...
Präsident Weber eröffnet die Sitzung wieder um 15.27 Uhr.
Präsident Weber: Ich eröffne die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag).
Ich gebe Ihnen jetzt das Ergebnis der Wahl für die Präsidentin/des Präsidenten des Rechnungshofs bekannt:
Ausgegebene Stimmzettel: 79,
abgegebene Stimmzettel: 79,
ungültige Stimmen: zwei.
Prof. Dr. Werner Müller: fünf Jastimmen.
Bettina Sokol: 67 Jastimmen,
eine Neinstimme,
vier Enthaltungen.
Ich stelle fest, dass Frau Bettina Sokol die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreicht hat.
(Beifall)
[Ende des Zitats]
Die BiW hatten nur ein Mandat und es gab einen weiteren fraktionslosen Abgeordneten. Unter Berücksichtigung der zwei ungültigen Stimmen hatten also 10 Abgeordnete der etablierten Parteien auch im
zweiten Wahlgang die Stimme der eigenen Kandidatin verweigert. Der Abgeordnete Timke teilte dem Verfasser später telefonisch mit, dass im ersten Wahlgang 65 ungültige Stimmen abgegeben worden
seien. Es kann nur spekuliert werden, ob diese 65 Abgeordneten (83 %) wirklich nicht wussten, wie man bei einem Gegenkandidaten richtig abstimmen muss, oder ob sie bei einer geheimen Abstimmung
ihrem schlechten Bauchgefühl ganz individuell Ausdruck geben wollten. Hatten sie nicht damit gerechnet, dass 80 % der fraktionsgebundenen Abgeordneten dieses schlechte Bauchgefühl hatten? Im
zweiten Wahlgang müssen sich dann aber 55 von ihnen der Fraktionsdisziplin gebeugt haben.
Inzwischen ist Bettina Sokol wie auch der Verfasser im Ruhestand. Sie blieb in ihrem Amt weitgehend farblos und die Finanzen des Landes Bremen haben sich weiter verschlechtert.