5. April 2025
Sehr geehrte Frau Brandt,
wie Sie sicher wissen, gab es bei der Bundestagswahl am 23.02.25 massive Behinderungen der im Ausland lebenden Deutschen, an der Wahl teilzunehmen.
Art. 38 GG knüpft das Wahlrecht nur an die Staatsangehörigkeit und ein Mindestalter von 18 Jahren. Ein Wohnsitz im Inland wird nicht verlangt. Deshalb waren Gesetzgeber und Regierung in der
Pflicht, das Wahlrecht der Deutschen im Ausland zu gewährleisten. Wie sie das machten, war ihnen überlassen. Sie mussten nur gewährleisten, dass das Wahlrecht nicht nur auf dem Papier steht,
sondern unter realistischen Bedingungen ausgeübt werden konnte. Die klassische Briefwahl war aber bei 2 Wochen und bei Postlaufzeiten von 10 Tagen in eine Richtung nicht durchführbar. Bis zum
Abend des 20.02.25 sind nur knapp 9.000 Wahlbriefe, also 4,2 % von 213.255, vom Auswärtigen Amt rechtzeitig für eine Weiterleitung an die lokalen Wahlämter durch die Sonderkuriere des Auswärtigen
Amts zurückgekommen (https://www.mdr.de/nachrichten/ deutschland/bundestagswahl-auslandsdeutsche-briefwahl-unterlagen-bundeswahlleiterin-100 .html). Wenn vielleicht 10 % einen alternativen
Beförderungsweg gefunden haben, wäre mit ca. 180.000 Wahlverhinderungen zu rechnen.
Ich habe noch am Abend des 23.02.25 gegen die Wahl Einspruch eingelegt und ihn u.a. mit dem knappen Abschneiden des BSW begründet, weshalb sich die fehlerhafte Wahl auf die Mandatsverteilung
ausgewirkt haben dürfte. Meine Briefwahlunterlagen habe ich erst am 04.03.25 erhalten. Den Text des Einspruchs habe ich auf https://www.prof-mueller.net/klage/wahl-25-1/einspruch/ veröffentlicht.
Am 12.03.25, rechtzeitig vor Ablauf der Monatsfrist, habe ich auch Verfassungsbeschwerde gegen §§ 12 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. 14 Abs. 2 und 36 Abs. 1 Satz 1 BWahlG erhoben, soweit danach im Ausland
wohnende Wahlberechtigte nur in Deutschland wählen können. Es wurde die Feststellung beantragt, dass §§ 12 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. 14 Abs. 2 und 36 Abs. 1 Satz 1 BWahlG insoweit mit Art. 38 Abs. 1
Satz 1 GG i.V.m. dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind und die Beschränkung damit nichtig ist. Den Text habe ich auf
https://www.prof-mueller.net/klage/wahl-25-1/gesetz/ veröffentlicht.
Schließlich habe ich am 01.04.25 Strafanzeige gegen Unbekannt wegen zigtausendfacher besonders schwerer Fälle der Wählernötigung nach § 108 Abs. 1 i.V.m. § 240 Abs. 4 Nr. 2 und § 13 Abs. 1 StGB
erhoben. Den Text habe ich auf https://www.prof-mueller.net/klage/wahl-25-1/anzeige/ veröffentlicht. Die Regierung hatte eine Garantenstellung für die Gewährleistung des Wahlrechts.
Im Januar hat das Außenministerium die Verpflichtung übernommen, die Wahl im Ausland sicherzustellen, den diplomatischen Kurierdienst für die Briefwahlunterlagen zu nutzen und für den
Rücktransport der Briefwahlumschläge Sonderkuriere einzusetzen. (https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/2693378-2693378) Darin hat das Auswärtige Amt versagt, und damit eine Wählernötigung
durch Unterlassen begangen. Es ist sehr interessant, dass das Auswärtige Amt durch seine Sprecherin Deschauer die Garantenstellung in der Regierungspressekonferenz vom 12.03.25 mit den Worten „Es
geht keineswegs um eine Verpflichtung des Auswärtigen Amts.“ und „Wir als Auswärtiges Amt waren unterstützend tätig und keineswegs verpflichtet.“ bestritten hat. Damit wurde implizit
eingestanden, dass die Garantenpflichten verletzt wurden, und dass nur noch ihr Bestehen bestritten wird. Die Staatsanwaltschaft kann auf diesem Geständnis aufbauen.
Sie hatten als Bundeswahlleiterin bereits frühzeitig auf die mit den verkürzten Fristen einer vorzeitigen Bundestagswahl verbundenen Probleme hingewiesen. Sie haben deshalb keinen Anlass, den
Sachverhalt „unter den Teppich zu kehren“. Ich möchte anregen, dass Sie als Behördenleiterin ohne eine konkrete Aufforderung durch den Wahlprüfungsausschuss des Bundestags, das
Bundesverfassungsgericht oder die Staatsanwaltschaft Berlin den Sachverhalt aufklären und bei den örtlichen Wahlämtern folgende Daten abfragen:
- Anzahl der Deutschen ohne Wohnsitz im Inland, die die Teilnahme an der Bundestagswahl beantragt hatten
- davon per Post an die ausländische Adresse verschickt
- davon an das Auswärtige Amt weitergeleitet
- davon anderweitige Zustellung
- für alle drei Untergruppen: davon Anzahl der Briefwahlumschläge, die rechtzeitig zurückgekommen sind.
- Anzahl der Deutschen mit Wohnsitz im Inland, die die Briefwahl bei Zustellung der Unterlagen an eine ausländische Adresse beantragt hatten
- davon per Post an die ausländische Adresse verschickt
- davon an das Auswärtige Amt weitergeleitet
- davon anderweitige Zustellung
- für alle drei Untergruppen: davon Anzahl der Briefwahlumschläge, die rechtzeitig zurückgekommen sind.
Für den zukünftigen Wahlprüfungsausschuss des Bundestags, das Bundesverfassungsgericht oder die Staatsanwaltschaft Berlin sollte es wichtig sein, welchen Umfang die Wahlbehinderung der
Auslandsdeutschen hatte. Neben den Deutschen ohne Wohnsitz im Inland gibt es auch Auslandsdeutsche mit einer Nebenwohnung in Inland, die aber als einzige inländische Wohnung nach dem Meldegesetz
als Hauptwohnung gilt; es ab natürlich nicht ist. Die von Ihnen auf https://bundeswahlleiterin.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2025/23_25_wahlteilnahme-auslandsdeutsche.html genannt
Zahl von 213.255 war deshalb nicht vollständig.
Ich gehe davon aus, dass die Politik versuchen wird, den Skandal unter den Teppich zu kehren. Die Berliner Justizsenatorin kann die Staatsanwaltschaft anweisen, nicht gegen die Regierung zu
ermitteln und die Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses werden nicht sehr motiviert sein, mit der Anordnung einer teilweisen Wahlwiederholung (vielleicht die Hälfte aller Briefwahlbezirke?) ihr
eigenes Mandat zur Disposition zu stellen.
Wenn man berücksichtigt, dass in den Jahren 2020 bis 2023 1.001.270 Deutsche das Land verlassen haben und dass es sehr wahrscheinlich ist, dass dies z.B. wegen Corona in vielen Fällen auch
politische Motive hatte, wäre es angesichts des knappen Wahlergebnisses für das BSW sehr wahrscheinlich, dass bei einer fairen Wahl diese Partei bei den Auslandsdeutschen ein weit
überdurchschnittliches Ergebnis erzielt und den Einzug in den Bundestag erreicht hätte. Es wäre dann sehr plausibel, wenn die Regierung von Berlin einer aus den gleichen Parteien bestehenden
Regierung im Bund die parlamentarische Mehrheit erhalten möchte. Die hohe Wahrscheinlichkeit, dass unter den 213.255 angemeldeten von 4 Mio. Auslandsdeutschen viele Exilanten waren, die nicht zu
den Anhängern der etablierten Parteien zählen, mag auch ein Motiv im grünen Auswärtigen Amt gewesen sein, die Wahl einer „falschen Partei“ durch diese Exilanten zu verhindern.
Ich muss Sie aber nicht an Ihre Grundpflichten nach § 60 Abs. 1 BBG erinnern. Sie dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei, und auch nicht einer informellen Kenia-Einheitspartei. Sie haben
besonders als Bundeswahlleiterin ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen, nicht zum Wohl der Politiker. Trotzdem werden Sie vermutlich
wie im November unter Druck gesetzt, nicht eigenständig die Aufklärung des Sachverhalts zu betreiben. Gegen diesen Druck möchte ich Sie unterstützen. Deshalb werde ich auch diese Anfrage wie
viele andere Schreiben in dieser Angelegenheit veröffentlichen. Die Auslandsdeutschen, deren Zahl das Auswärtige Amt auf 3 bis 4 Mio. schätzt, haben in Deutschland zwar keine Lobby. Wegen des
sehr knappen Abschneidens des BSW ist aber zu erwarten, dass sich diese Partei meine Argumentation mindestens teilweise zu eigen macht und deshalb eine gewisse Öffentlichkeitswirkung entstehen
wird. Mit dieser Erwartung und natürlich mit der besonderen Überparteilichkeit eines Wahlleiters werden Sie es gegenüber der Politik rechtfertigen können, die o.g. Daten zu erheben.
Ich möchte Sie auch in Ihrer Eigenschaft als Präsidentin des Statistischen Bundesamts bitten, grundlegende Daten zu den Deutschen im Ausland zu ermitteln. Der Verein „Deutsche im Ausland e.V.“
hat auf https://www.deutsche-im-ausland.org/im-ausland-leben-und-arbeiten/leben-im-ausland/ daten-und-fakten.html 3,415 Mio. Deutsche ab 15 Jahren im Jahr 2011 auf der Basis von nicht näher
spezifizierten Daten der OECD genannt. Wenn man dann noch die 1.954.953 Zuzüge von Deutschen aus dem Ausland und die 2.624.430 Wegzüge von Deutschen in das Ausland zwischen 2012 und 2023 lt.
Daten des Statistischen Bundesamts berücksichtigt, müssen Ende 2023 etwa 4.084 Mio. Deutsche im Ausland gelebt haben. Der Schätzrahmen von 3 bis 4 Mio. dürfte also im oberen Ende zutreffen.
Lt. Eurostat sollen 2024 unter Verwendung älterer Zahlen bei nicht aktuellen Daten 1.274.586 Deutsche im EWR-Ausland + UK gelebt haben, davon 128.049 in Spanien. (https://ec.europa.eu/
eurostat/databrowser/view/migr_pop1ctz__custom_74787/bookmark/table?lang=de&bookmarkId =ddd48787-05f6-4ecf-8eea-b60bb8c294c0). 2011 sollen es noch 154.248 gewesen sein; DIA kam für 2011 auf
186.000. Die Zahlen für Spanien halte ich für zu niedrig. 128.000 Deutsche dürften schon auf Mallorca und Teneriffa leben. Die spanischen Behörden verweigern unter Verletzung des EU-Rechts
ausländischen Rentnern die Aufenthaltsgenehmigung mit absurden Begründungen. In meinem Fall wurde behauptet, dass ich trotz Versorgungsbezügen von ?.?00 € monatlich nicht nachgewiesen hätte, dass
ich über ausreichende Mittel für den Lebensunterhalt verfüge. Der Grund dürfte darin liegen, dass Spanien den rückkehrenden Gastarbeitern den Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung geöffnet
hat, und Rentner mit anderer EU-Staatsbürgerschaft nach dem Diskriminierungsverbot der EU ebenfalls aufgenommen werden müssten. Ähnliche Merkwürdigkeiten kann es auch in anderen Ländern geben.
Zudem gibt es noch die Deutschen, die nur etwa 8 Monate in Spanien leben (die Vermieter von Ferienwohnungen gewähren dann hohe Rabatte) und ihren Urlaub in Deutschland verbringen, oder die ohne
dauernden Aufenthalt mit einem Wohnwagen bzw. Wohnmobil in Europa unterwegs sind. Es wäre sehr interessant, die Daten von Eurostat, der OECD mit Ihren eigenen zusammenzuführen und eine
verlässlichere Datenbasis als die Schätzung von 3 bis 4 Mio. zu schaffen. Natürlich wäre auch das politisch nicht erwünscht, aber schon das krasse Missverhältnis von 3-4 Mio. Auslandsdeutschen
und nur 213.255 Anmeldungen zur Wahl ist ein Beleg dafür, dass es für Deutsche im Ausland keine allgemeine und gleiche Wahl gibt, was eine Verletzung des Art. 38 GG darstellt. Ihre Daten würden
das Problem nicht erst aufzeigen, sondern nur die Bewertung versachlichen. Das Problem wurde durch die Wahl vom 23.02.25 einer breiteren Öffentlichkeit bewusst.
Sollten Sie meine Anregung nicht aufgreifen wollen, so beantrage ich nach dem Informationsfreiheitsgesetz Auskunft darüber, wie sich die von Ihnen veröffentlichte Zahl von 213.255 Anmeldungen auf
die verschiedenen Gemeinden verteilt, sowie die Mitteilung der Mailadressen den örtlichen Wahlämter. Es wäre sicher mühevoll, aber nicht unmöglich, eine eigene Statistik aufzubauen. Dafür müssten
sich vermutlich einige Auslandsdeutsche vernetzen und das Projekt gemeinsam organisieren. Ein Beispiel für ein solches Netzwerk finden Sie auf https://tkp.at/2024/03/27/europa-wahlaufruf-2024/.
Unmöglich ist das nicht. Es wäre aber ein Armutszeugnis für Ihre Behörde.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Werner Müller
Von: post@bundeswahlleiter.de <post@bundeswahlleiter.de>
Gesendet: Dienstag, 8. April 2025 10:24
An: ...
Betreff: Ihre Anfrage vom 5. April 2025, Die Bundeswahlleiterin, GZ 462157 / 808185
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Müller,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 5. April 2025.
Die Schwierigkeiten vieler im Ausland lebender Deutscher und die Herausforderungen, denen die beteiligten Stellen in dem bestehenden Verfahren begegnen, sind der Bundeswahlleiterin und auch dem
verordnungsgebenden Bundesministerium des Innern und für Heimat bekannt.
Selbstverständlich steht es Ihnen - wie allen Wahlberechtigten - frei, Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl einzulegen.
Es gelten die Bestimmungen des Wahlprüfungsgesetzes: Der Einspruch muss schriftlich beim Deutschen Bundestag innerhalb von zwei Monaten nach dem Wahltag eingehen. Er ist zu begründen. Die Frist
zur Einlegung von Einsprüchen endet am 23. April 2025 um 24:00 Uhr.
Weitere Informationen über das Wahlprüfungsverfahren sowie ein ausführliches Informationsblatt finden Sie unter:
https://www.bundestag.de/ausschuesse/wahlpruefungsausschuss/bundestagswahl-2025-1039634
Eine Änderung der bestehenden Rechtslage kann die Bundeswahlleiterin nicht vornehmen; dies ist dem Deutschen Bundestag als Gesetzgeber bzw. dem Bundesministerium des Innern und für Heimat als
Verordnungsgeber vorbehalten.
Möchten Sie sich für eine Änderung der bestehenden Rechtslage einsetzen, können Sie dies beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages tun:
https://epetitionen.bundestag.de/
Wir hoffen, dass wir Ihnen weiterhelfen konnten.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Ihr Auskunftsteam Bundestagswahl
Büro der Bundeswahlleiterin
Statistisches Bundesamt
Tel. +49 611 75 4863
Fax +49 611 75 3964
post@bundeswahlleiter.de
www.bundeswahlleiterin.de