Bundesverfassungsgericht
Postfach 1771
76006 Karlsruhe
Alemania
30. Dezember 2024
von Prof. Dr. Werner Müller, C/ ....., 04740 Roquetas de Mar, Spanien - Beschwerdeführer -
gegen
Artikel 1 des „Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 93 und 94) vom 27. Dezember 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 147)
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Art. 94 Abs. 4 GG in der Fassung des Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 147). Es wird beantragt, die Einfügung des Art. 94
Abs. 4 GG wegen eines Verstoßes gegen Art. 79 Abs. 3 GG für nichtig zu erklären.
Nach Art 93 Abs. 1 Nr. 4a GG entscheidet das Bundesverfassungsgericht über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt
in einem seiner in Artikel 38 enthaltenen Rechte verletzt zu sein. Der Beschwerdeführer behauptet hiermit, mit der Beschneidung der Kompetenzen des Deutschen Bundestags durch die Einfügung des
Art. 94 Abs. 4 GG in seinem Wahlrecht für den Deutschen Bundestag verletzt worden zu sein.
Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. „Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ... ausgeübt.“ Art. 38 Abs. 1 baut auf dieser Regelung auf. Würde der Deutsche
Bundestag vollständig entmachtet, wäre das Wahlrecht wertlos. Wird seine Kompetenz eingeschränkt, wird das Wahlrecht beeinträchtigt. Damit verletzt jede unzulässige Beschränkung des
Gesetzgebungskompetenz der Volksvertretung mittelbar auch das Wahlrecht der Bürger. Folglich ist auch jeder Wähler zu einer Verfassungsbeschwerde gegen eine solche unzulässige Verfassungsänderung
aktiv legitimiert.
Die nach Art. 79 Abs. 3 GG unzulässige Änderung des Grundgesetzes, die in den in Art. 20 Abs. 2 niedergelegten Grundsatz der Volkssouveränität eingreift, verletzt den Beschwerdeführer, der
deutscher Staatsbürger, über 18 Jahre alt und wahlberechtigt ist,
Beweis: Kopie des Personalausweis des Beschwerdeführers
(im Verfahren 2 BvR 1523/23 hat das Gericht die Beschwerden von 4.239 Beschwerdeführern als unzulässig zurückgewiesen, weil sie ihre Wahlberechtigung nicht nachgewiesen hatten. Einer
vergleichbaren Entscheidung soll hiermit vorgebeugt werden.)
damit automatisch auch in seinem Wahlrecht nach Art. 38 Abs. 1 GG.
Nach Art. 79 Abs. 3 GG ist „eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche … die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, .. unzulässig.“ Diese sogenannte
Ewigkeitsgarantie verbietet nicht nur die Änderung des Textes der Art. 1 und 20, sondern schützt die dort geregelten Grundsätze. Das sind die Unantastbarkeit der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1,
das Bekenntnis zu den Menschenrechten in Art. 1 Abs. 2 (also die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 - AEMR), die unmittelbare Geltung der Grundrechte nach Art. 1 Abs.
3, die Festlegung auf einen demokratischen und sozialen Bundesstaat in Art. 20 Abs. 1, der Grundsatz der Volkssouveränität nach Art. 20 Abs. 2 (“Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus”), die
Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 3 und das Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4. Diese Grundsätze strahlen auch auf andere Regelungen aus. So wäre es auch ein Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3, wenn
der verfassungsändernde Gesetzgeber den Text des Art. 20 Abs. 2 zwar unverändert ließe, aber die „freien Wahlen“ in Art. Art. 38 Abs. 1 abschaffen würde. Ebenso wäre das Bekenntnis zur AEMR in
Art. 1 Abs. 2 wertlos, wenn ihre unmittelbare Geltung nach Art. 25 abgeschafft würde.
Es ist anzumerken, dass Art. 79 Abs. 3 GG nicht wirklich eine Ewigkeitsgarantie ist. Die genannten Grundsätze sollten im Rahmen des Provisoriums eigentlich nur bis zur Wiedervereinigung
nicht änderbar sein - und dann in einer gesamtdeutschen Verfassung, die nach Art. 146 per Volksabstimmung beschlossen werden muss, abschließend geregelt werden. Die Umsetzung dieses
Verfassungsauftrags und die Volksabstimmung wird dem deutschen Volk aber von den selbsternannten „demokratischen Parteien“ seit über 34 Jahren verweigert.
Es ist konkret zu prüfen, ob und inwiefern mit der jetzt beschlossenen Verfassungsänderung die Grundsätze aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG (Volkssouveränität und Gewaltenteilung) berührt wurden. Es
ist dazu nicht erforderlich, dass sie wirklich verletzt wurden; eine „Berührung” genügt - wie beim Handspiel im Fußball. Weil ein Gericht, also die Dritte Gewalt, ermächtigt werden soll, der
Volksvertretung als Erster Gewalt Vorschriften zu machen, ist die Gewaltenteilung hier ganz offensichtlich berührt. Gleichzeitig wird der Grundsatz der Volkssouveränität verletzt - denn wenn
„alle“ Staatsgewalt vom Volke ausgeht, darf „keine“ Staatsgewalt von anderen Verfassungsorganen als der Volksvertretung ausgehen. Die Bedeutung des Wortes „alle“ ist insoweit eindeutig und keiner
Auslegung zugänglich. Ein Gericht, das sich über eine Mehrheit in der Volksvertretung hinwegsetzen könnte, wäre ein Ursprung von Staatsgewalt, und das ist nach Art. 20 Abs. 2 GG verboten. Mit dem
neuen Art. 94 Abs. 4 GG bekommt das Bundesverfassungsgericht die Machtfülle eines Wächterrats wie in der Islamischen Republik Iran, was mit Art. 79 Abs. 3 GG unvereinbar ist.
Der Beschwerdeführer verkennt nicht, dass die Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 3 GG in der Bundesrepublik Deutschland noch nie so richtig funktioniert hat. Schon unter Adenauer wurde die
parlamentarische Demokratie zu einer Kanzlerdemokratie, die von Kritikern auch als demokratische Diktatur bezeichnet wurde. Vielleicht hat sich Adenauer am ehemaligen Reichskanzler Bismarck
orientiert, der nicht dem Parlament, aber dem Kaiser zumindest formal unterstellt war. Wilhelm I. soll sich aber auf seinem Sterbebett bei Bismarck bedankt haben, dass er unter ihm Kaiser sein
durfte. Adenauer hat nach dem gleichen Geist die CDU von einer Partei zu einem Kanzlerwahlverein mit Postenvergabeeinrichtung umgebaut. Wenn die Volksvertretung nicht das Volk, sondern die Macht
vertritt, droht aus dieser Richtung keine Gefahr. Die Kanzler Erhard, Kohl und Merkel haben diese Tradition fortgesetzt: Seit den 1950er Jahren kontrolliert also nicht das Parlament die
Regierung, die Regierung kontrolliert das Parlament. Das beanstandete Gesetz entmachtet das Parlament nun auch ganz offiziell. Die in Hinterzimmern ausgekungelten und nach politischer
Zuverlässigkeit ausgewählten Verfassungsrichter können willkürlich festlegen, was das Parlament noch beschließen darf und unterliegen dabei keiner demokratischen Kontrolle.
Nach der bisher geltenden Rechtslage konnte das Volk in einer freien Wahl noch das bisherige Parteienkartell entmachten und für neue Mehrheiten sorgen, die die parlamentarische Demokratie
wiederherstellen. Mit einem Bundesverfassungsgericht als Wächterrat wäre das aber nicht mehr möglich und die Entmachtung der Volksvertretung wäre endgültig. Mit dieser Konsequenz wäre der
Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung nicht nur berührt, sondern erheblich verletzt.
Daran ändert auch das Argument nichts, mit der Verfassungsänderung werde materiell die Rechtslage nicht verändert; es würden nur Regelungen aus einem einfachen Gesetz in die Verfassung
übertragen. Mit Art. 94 Abs. 2 GG in der zuvor gültigen Fassung hatte das GG dem Gesetzgeber erlaubt, das BVerfG mit einfacher Mehrheit zur Ausübung eines Teils der Gesetzgebung zu ermächtigen.
Diese Regelung war gerade noch mit Art. 20 Abs. 2 GG vereinbar, weil das Ermächtigungsgesetz jederzeit mit einfacher Mehrheit wieder geändert und sogar aufgehoben werden konnte. Es war aber
bereits grenzwertig, denn nach dem in Art. 20 Abs. 3 GG festgeschriebenen Grundsatz der Gewaltenteilung und auch nach Art. 97, Abs. 1 GG sind die Gerichte an Gesetz und Recht gebunden. Wenn ein
Gericht die Gesetze selbst schaffen kann, an die es später gebunden ist, ist dies ein elementarer Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Andererseits wird aber in vielen Gesetzen die
Regierung ermächtigt, Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen. Deshalb muss Art. 94 Abs. 2 GG in der bisher gültigen Fassung wegen des letzten Wortes des Parlaments als Untervollmacht gewertet
und gerade noch als mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung vereinbar eingeschätzt werden. Dieses rettende letzte Wort des Parlaments wurde nun aber abgeschafft. Damit wurde die bisher gerade noch
verfassungskonforme Gesetzeslage verfassungswidrig.
Aktuell wird die Demokratie nicht von angeblichen Verfassungsfeinden bedroht, sondern von zu Kanzlerwahlvereinen mit Postenvergabeeinrichtung mutierten etablierten Parteien, die mit dieser
Postenvergabe auch die Medien beherrschen, so die politische Willensbildung monopolisieren und sich die Richtlinien der Politik von Lobbyisten vorgeben lassen. Bereits 1945 formulierte Walter
Ulbricht den Anspruch: „Es muss demokratische aussehen, wir müssen aber alles unter Kontrolle haben.“ Dieser in den USA als „deep state“ bezeichnete Machtapparat hat ein nachvollziehbares
Interesse daran, das Aufkommen neuer politische Strömungen zu unterdrücken und zumindest zu verhindern, dass sie bei Wahlen eine Mehrheit erringen. Mit der aktuellen Verfassungsänderung soll
verhindert werden, dass selbst im Fall der Bildung neuer Mehrheiten der „deep state“ aus seiner Machtposition entfernt wird und dass Art. 20 Abs. 2 GG entsprechend wirklich alle Staatsgewalt vom
Volke ausgeht.
Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass die vorgenommene Änderung des Grundgesetzes die Verfassungsgrundsätze aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG verletzt. Sollte das Gericht dieser Einschätzung
nicht folgen, wäre mindestens festzuhalten, dass mit der Verlagerung von Kompetenzen von der Volksvertretung, dem Deutschen Bundestag, auf das Bundesverfassungsgericht der Verfassungsgrundsatz
der Volkssouveränität nach Art. 20 Abs. 2 GG betroffen, also berührt wird und dass die verfassungsmäßige Ausstattung eines Gerichts mit einer Gesetzgebungskompetenz den Verfassungsgrundsatz der
Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 3 GG mindestens betrifft, also ihn berührt. Daraus folgt, dass Artikel 1 des „Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 93 und 94) vom 27. Dezember 2024
(BGBl. 2024 I Nr. 147) soweit dort der Art. 94 Abs. 4 in das Grundgesetz eingefügt wird, mit Art. 79 Abs. 3 GG unvereinbar und damit nichtig ist.
Der Beschwerdeführer ist sich dessen bewusst, dass diese Verfassungsbeschwerde wie die Verfassungsbeschwerden aller nicht-prominenten Normalbürger nicht zur Entscheidung angenommen werden wird.
Eine Begründung wird sich finden - oder auch nicht. Der in der Pressemitteilung Nr. 68/2024 vom 27.08.2024 „Beschlüsse vom 30.07.2024“ zitierte Beschluss in der Sache 2 BvR 790/23 behauptete, §
18 Abs. 1 BWahlG sei durch das Gesetz vom 08.06.23 nicht geändert worden. Im Widerspruch zu dieser alternativen Wahrheit regelte Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und des
Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 8. Juni 2023 regelte ausdrücklich: „Das Bundeswahlgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 1993 (BGBl. I S. 1288,
1594), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 3. Juni 2021 (BGBl. I S. 1482) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: … 5. § 18 Absatz 1 wird wie folgt gefasst: ...“ (Hervorhebung
durch den Beschwerdeführer) Der Gesetzgeber sagte also, das Gesetz wird geändert; das BVerfG stellte fest, das Gesetz sei nicht geändert worden! Daraus ergibt sich, dass das Gericht den
Gesetzgeber nicht wirklich ernst nimmt und wohl nichts zur Verteidigung seiner Gesetzgebungskompetenz unternehmen will. Der Beschwerdeführer ist aber gespannt, welche alternativen Wahrheiten das
Gericht diesmal zu Tage fördern wird.
Der Beschwerdeführer wird diese Verfassungsbeschwerde nach den Erfahrungen im Verfahren 2 BvR 790/23 als offenen Brief veröffentlichen.