Zu meinen Aufgaben im Rahmen des Praxismoduls gehörte die Kontrolle, ob die Praktika wirklich durchgeführt wurden und ob die mir vorgelegten Nachweise Zweifel an ihrer Echtheit begründeten. Viele Zweifel aufgrund etwas locker erstellter Nachweise konnten später ausgeräumt werden. In der Vergangenheit gab es aber auch viele Fälle, bei denen mir weitere Belege angekündigt wurden, die Studenten dann aber nicht wiederkamen.
Ich kann an dieser Stelle natürlich keine Handlungsanleitung für einen Täuschungsversuch geben; es gibt aber sehr einfache und effektive Wege, ein Praktikum mit Nachweisen vorzutäuschen, die bei der mir schon aus zeitlichen Gründen nicht möglichen tiefgreifenden Prüfung jedes Einzelfalles keine Zweifel an ihrer Echtheit begründen. Wenn gut gemachte Täuschungsversuche relativ leicht sind wäre es naiv anzunehmen, dass sie nur selten vorkommen.
Vor einiger Zeit gab es einen Vorgang, bei dem ich bei der Prüfung eines seriös aussehenden Zeugnisses nur wegen eines kleinen Details misstrauisch wurde. Der Student sagte mir weitere Nachweise zu. Bei einer intensiveren Prüfung (vor Vorlage der Nachweise) unter Nutzung von öffentlich zugänglichen Datenbanken habe ich aber immer mehr falsche Angaben entdeckt und einen Täuschungsversuch ausnahmsweise dokumentieren können. Nach der Vorlage der angekündigten Nachweise hatte sich der Student dann restlos in Widersprüche verwickelt.
Anfragen im Prüfungsamt und beim Prüfungsausschuss, wie ich hier vorzugehen hätte, blieben unbeantwortet bzw. es wurden mir Antworten gegeben, nach denen ich nicht gefragt hatte. Mein Problem: Der Wortlaut von § 12 Abs. 5 PO, bezieht sich nur auf Prüfungsleistungen (= Praxisbericht) und nicht auf Studienleistungen (= Praktikum). Wie soll aber bei einer Täuschung in Bezug auf die Studienleistung die Prüfungsleistung, die noch gar nicht abgegeben wurde, mit „nicht bestanden“ bewertet werden? Am Ende beantragte ich mit einer ausführlichen Begründung + Dokumentation von insgesamt 18 Seiten, das Praxismodul wegen eines Täuschungsversuchs mit „nicht bestanden“ zu bewerten.
Aus dem Protokoll dieser Sitzung des Prüfungsausschusses (hochschulöffentlicher Teil – auch wenn anscheinend keine Besucher anwesend waren; ich verrate hier also kein Dienstgeheimnis!) konnte ich entnehmen, dass anscheinend niemand diese 18 Seiten gelesen hatte. Zu meiner Verwirrung wurde das Problem „Prüfungsleistung : Studienleistung“ überhaupt nicht thematisiert (nach meiner Rechtsauffassung hätte man dieses Problem im Wege der Auslegung mit einer teleologischen Erweiterung lösen können) und statt dessen wurden Anforderungen an den Beweis von Täuschungsversuchen beim Nachweis von Praktika formuliert, die in der Praxis niemals erbracht werden können. Damit sind solche Täuschungsversuche also faktisch straffrei!
Zu diesem Beschluss passt auch der auf meiner Seite „Thema“ behandelte Vorgang, dass die Fachbereichsleitung das Formblatt zur Dokumentation meiner Prüfung der Praktikumsnachweise aus dem Download-Angebot der Hochschule zeitweise gelöscht hatte, und wegen einer Stichelei hierzu gegen mich disziplinarisch vorgegangen ist. Es war offensichtlich gewollt, dass ich die Nachweise zu den Praktika gar nicht mehr prüfe, oder dass ich meine Prüfung zumindest nicht mehr dokumentiere. Wie beim VW-Skandal würden aber bei einer Aufdeckung der Kontrolldefizite die ausführenden Personen (also ich) verantwortlich gemacht und die Führungsebene hätte angeblich nie etwas gewusst.
Ich bitte also um Ihr Verständnis, wenn ich auch weiterhin die Durchführung der Praktika anhand der vorgelegten Nachweise gewissenhaft prüfe, auch wenn mir dabei von den Organen des Fachbereichs Wirtschaft Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Ich möchte vermeiden, eines Tages als Bauernopfer herhalten zu müssen. Ob Sie angesichts der faktischen Straffreiheit von Täuschungshandlungen verstärkt versuchen wollen, sich den Zeitaufwand für die Praktika zu sparen, müssen Sie selbst entscheiden!
Der letzte Satz ist natürlich keine Anstiftung zur Begehung einer Straftat. Bei der Benutzung eines gefälschten Zeugnisses begehen Sie eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB, bei einem Gefälligkeitszeugnis, das ein in Wirklichkeit nicht stattgefundenes Praktikum bescheinigt, eine mittelbare Falschbeurkundung nach § 271 StGB. Die Hochschule macht nur keine Anstalten, solche Vorgänge festzustellen. Und bei Bagatelldelikten stellen die Staatsanwaltschaften das Verfahren meisten wegen Geringfügigkeit ein. Ich stelle nur fest, dass das faktische Risiko deshalb sehr gering ist.
Im eigenen Studium war ich zunächst in einem politischen Studentenverband aktiv. Bald habe ich aber gemerkt und kritisiert, dass hier versucht wurde, das Niveau des
Studiums zu drücken um bessere Noten für alle durchzusetzen. Damit wurden aber gute Leistungen bestraft und man sägte im Ergebnis am eigenen Ast.
Als ich eine Veranstaltung mit einem fachlich renomierten Professor gewählt habe war die Gruppe klein und das Niveau hoch. Eine Parallelgruppe war überfüllt, die
Lernbedingungen schlecht, der Prof. noch nicht sehr erfahren und anspruchslos; aber in der Klausur waren seine Anforderungen niedriger und seine Noten besser. Das hatte die Wirkung, dass danach
auch viele leistungsbereite Studenten den politisch aktiven in die überfüllten Vorlesungen gefolgt sind, denn die hatten durch ihre Vernetzung mit den höheren Semestern die besten Informationen,
wo man die billigsten Scheine bekommt.
5 Jahre nach dem Studium habe ich viele ehemals politisch aktive Studenten wiedergesehen. Ich bereitete mich auf die Fortbildungsprüfung zum geprüften
Bilanzbuchhalter vor und sie waren beim gleichen Anbieter in einer Maßnahme des Arbeitsamts für arbeitslose Wirtschaftswissenschafter! Und sie schimpften wieder auf die Uni, die sie nicht
angemessen ausgebildet hätte. Welcher Weg war also der richtige?